Designbutik in Japan: Yoyogi National Gymnasium
 

10.04.2014Designbutik in Japan: Yoyogi National Gymnasium

Zeitgleich zum Entwurf und Bau der St. Marienkathedrale entwickelte Kenzo Tange zwei Sporthallen anlässlich der olympischen Sommerspiele 1964 in Tokyo. Wie beim Sakralbau beschreibt die Form des Dachs auch hier einen hyperbolischen Paraboloiden – allerdings lastet die gesamte Dachkonstruktion an riesigen Stahlseilen, die ihrerseits bei der grossen Halle an zwei und bei der kleinen an einem Stahlbetonmasten aufgehängt sind. Tange greift damit zurück auf Konstruktionen wie sie Matthew Nowicki für die Dorton Arena in Raleigh, Eero Saarinen für seine Eishockeyhalle in New Haven oder auch Le Corbusier in Zusammenarbeit mit Jannis Xenakis für den Philips-Pavillon in Brüssel bereits in den fünfziger Jahren verwendet hatten. Nichtsdestotrotz gehen Tanges Hallen alleine aufgrund ihrer Grösse über diese Vorbilder hinaus und machen eigenständige konstruktive Lösungen unumgänglich.
Neben der skulpturalen Wirkung ist die Wahl einer Hängedachkonstruktion vor allem funktionalen Überlegungen geschuldet, da durch sie der Bau grosser stützenfreier Hallen ermöglich wird, wie sie im Bereich der Sportbauten erforderlich sind. Zudem bietet die mehrfach geschwungene Dachform eine vergleichsweise geringe Angriffsfläche für Sturmböen wie sie in Tokyo auftreten können. Die Arena hat Tange bei beiden Hallen unter das Erdniveau verlegt, so dass die Zuschauer die oberen Reihen der Tribünen praktisch ebenerdig betreten. Damit ist nicht nur eine komfortable Erschliessung gewährleistet, sondern die sichtbaren Volumina der über 5000 bzw. 16000 Zuschauer fassenden Hallen fallen vergleichsweise gering aus.
Schliesslich erweist Tange wie schon bei der Marienkathedrale auch hier trotz aller Modernität durch die Formgebung der beiden Masten bei der grossen Halle der historischen Architektur seine Reminiszenz. Die an den Giebel des Ise Schreins erinnernden Betonstrukturen sind wohl zudem als gebaute Anspielung auf die neue Religion des 20. Jahrhunderts zu verstehen, die den Bau riesiger Sporttempel überhaupt erst nötig macht.