Designbutik in Finnland 3: Gemeindezentrum von Säynätsalo
 

13.08.2013Designbutik in Finnland 3: Gemeindezentrum von Säynätsalo

Ende der vierziger Jahre gewinnt Alvar Aalto den Wettbewerb für das Gemeindezentrum der auf einer Insel gelegenen Kleinstadt Säynätsalo. Vorgesehen sind Räume für die Gemeindeverwaltung inklusive einem Ratssaal, Wohnungen für die Mitarbeiter der Verwaltung, eine Bibliothek sowie Geschäftsräume. Aalto, der die von 1949 bis 1952 andauernden Bauarbeiten aufs Genaueste überwacht, orientiert sich bei seinem Entwurf am italienischen Städtebau der Renaissance. Ihm erscheint nicht nur die hügelige mittelfinnische Landschaft derjenigen der Toskana ähnlich, sondern die mit vielen Türmen auf Hügeln thronenden italienischen Städtchen hält er für Sinnbilder der urbanen Architektur.

Entsprechend legt er die quadratisch angeordneten Baukörper des Gemeindezentrums um einen künstlich aufgeschütteten Hügel an, den er anschliessend planieren lässt, so dass sich eine kleine Piazza mit Grünfläche und Brunnen ergibt. Der Platz ist von zwei Seiten über Treppen erreichbar, von der die grössere aus Granit zum Eingang der Gemeindeverwaltung und zum Ratssaal führt. Um den Hof herum ist ein öffentlich zugänglicher, wintergartenartiger Korridor angelegt, der den Zugang zu den einzelnen Räumen gewährt und gleichzeitig Aaltos exzessive Auseinandersetzung mit Details offenbart: So sind etwa die tiefen, aus Ziegelstein gemauerten Fenstersimse, die auch als Sitzgelegenheit dienen, durch einen Schlitz zweigeteilt, um die warme Luft der darunter liegenden Heizkörper aufsteigen zu lassen. Dadurch entsteht eine isolierende Luftschicht, die besonders in der kalten Jahreszeit das Sitzen am Fenster angenehmer macht. Die Lampen sind nach aussen gerichtet und werden nur über das Fensterglas reflektiert, um ein blendfreies Licht zu erzeugen.

Im markanten Turm befindet sich der Abgeordnetensaal – entsprechend seiner übergeordneten Bedeutung für das Gemeindeleben hat Aalto ihn eine Etage höher als alle übrigen Räume angelegt. Die Erschliessung erfolgt über einen um den Turm herum geführten, von aussen gut sichtbaren Treppengang. Die Beleuchtung erfolgt über schmale, knapp unterhalb der Decke angelegte Fenster. Die mehrheitlich gegen Süden ausgerichteten Öffnungen lassen genug Licht eintreten, um die im Gegensatz zum in der klassischen Moderne verwendeten Beton traditionell von Hand errichteten Backsteinwände zu beleuchten. Die tief nach innen verlegten Mörtelfugen lassen die einzelnen Steine hervortreten, so dass die Oberfläche durch das Spiel von Licht und Schatten plastischer als gewöhnlich erscheinen. Der Saal selber wirkt ungewohnt dunkel und erinnert eher an einen sakralen Raum als an einen Ratssaal. Fest installierte Holzschalousien halten das Licht draussen, so dass man die ungewohnte Holzkonstruktion, die das Pultdach hält, nur vage erkennen kann. Offenbar favorisierte Aalto den intimen und ruhigen Rahmen für die politische Entscheidungsfindung gegenüber Klarheit und Transparenz, die dafür im langgestreckten Bibliotheksraum zu finden sind, der südseitig der Piazza angelegt ist.

Dass dem nahe der Stadt seiner Kindheit errichteten Bau für Aalto besonders viel liegt, zeigt auch sein beherztes Einschreiten, als eine Bank ihren Neonschriftzug am Gebäude anbringt. Als Aalto auf einem nächtlichen Spaziergang der Verschandelung seines Gebäudes gewahr wird, beginnt er den Schriftzug mit Steinen zu bewerfen. Die alarmierte Polizei verdonnert ihn zu einer Busse, die Bank aber hat ein Einsehen und entfernt die Reklame.