Designbutik im Neuen Frankfurt
 

19.05.2015Designbutik im Neuen Frankfurt

1925 wurde Ernst May in Frankfurt als Stadtbaurat berufen und mit der Aufgabe einer umfangreichen Stadterweiterung betraut. Um dem Anspruch einer durchgehend modernen Gestaltung von der Stadtplanung bis zur Türklinke des „Neuen Frankfurt“ genügen zu können, versammelte May neben Architekten und Ingenieuren auch Grafiker und freie Künstler unter sich. May sah das alte Stadtzentrum in erster Linie als Ort der Arbeit und insbesondere des Handels. Die neuen Wohnviertel sollten deshalb durch Grünflächen vom Zentrum abgegrenzt werden und bildeten damit frühe Beispiele sogenannter Trabantenstädte. Obwohl das Erweiterungsprojekt 1930 aufgrund der desolaten finanziellen Lage der Stadt vorzeitig beendet wurde, umfassten die in diesem kurzen Zeitraum entstandenen Siedlungen bereits zwölftausend neue Wohnungen.
Die im Norden des Stadtzentrums angelegte Siedlung Römerstadt wurde zwischen 1927 und 1928  errichtet und umfasst neben zahlreichen Reiheneinfamilienhäusern auch Mehrfamilienhäuser und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten. Das Innere der würfelförmig angelegten Einfamilienhäuser mit langgestreckten Gemüsegärten ist geprägt von schlichter Zweckmässigkeit. Wohl am eindrücklichsten zeigt sich die Idee des „Neuen Wohnens“ am Beispiel der von Margarete Schütte-Lihotzky entworfenen Frankfurter Küche, die streng tayloristischen Arbeitsorganisationsprinzipien folgt. Dem Entwurf ging eine peinlich genaue Analyse der verschiedenen Arbeiten voraus, die in der Küche getätigt werden. Die Anordnung der Küchenbestandteile sollte die einzelnen Arbeitsschritte verkürzen und vereinfachen. Ausserdem sollte der intelligente Materialeinsatz auch für mehr Hygiene sorgen. So ist etwa die Mehlschütte als einzige in Eichenholz ausgeführt, was dem Befall durch Ungeziefer vorbeugt. Untersuchungen sollen zudem gezeigt haben, dass Fliegen blaue Farben meiden, was zur berühmten Farbgebung der Frankfurter Küche führte.
Die Möblierung des bis ins Detail durchgeplanten Innenraums erfolgte mit einfachen Typenmöbeln, die mehrheitlich von Franz Schuster und Ferdinand Kramer entworfen worden waren. Im Wohnbereich des Erdgeschosses kamen schlichte Tapeten von Hans Leistikov zum Einsatz, während in den weniger repräsentativen Schlafräumen im Obergeschoss die Wände in verschiedenen Farben gestrichen wurden. Die Hausnummern wurden in der eigens für Frankfurt von Paul Renner entworfenen Schrift Futura ausgeführt. Die sorgfältig abgestimmte Kombination der verschiedenen, den Prinzipien der frühen Moderne folgenden Elemente weckt trotz den letztlich eher bescheidenen Verhältnisse den Eindruck eines Gesamtkunstwerks. Dies allerdings nur unter der Bedingung, dass die Vorgaben der Planer genau eingehalten wurden – und die ging so weit, dass selbst im Garten die Anzahl der Beete, der Standort des pro Garten vorgesehenen Obstbaumes und der Beerenstauden klar reglementiert waren.
Heute ist vom ursprünglichen Gedanken der zweckmässigen Einheitlichkeit nicht mehr viel zu sehen. Die Stadt Frankfurt als Besitzerin der Siedlung hat mit flächendeckendem Einsatz billiger Plastikfenster und goldener Türklingeln neben vielem anderen leider nicht gerade viel Gespür für die historische Siedlung bewiesen. Immerhin erinnert seit einigen Jahren das sorgfältig restaurierte und zugängliche Ernst May Haus an die ursprünglichen Ideen der Planer einer der grössten Siedlungsprojekte des Neuen Bauens.

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