Designbutik in den Niederlanden 3: Sanatorium Zonnestraal
 

29.07.2014Designbutik in den Niederlanden 2: Sanatorium Zonnestraal

Praktisch gleichzeitig zu Dudoks Rathausbau entsteht in Hilversum eine weitere Ikone der modernen Architektur – allerdings von ganz anderer Prägung. Johannes Duiker und Bernard Bijvoet arbeiten zusammen mit dem Ingenieur Jan Gerko Wiebenga ab 1926 am Entwurf für ein Sanatorium für Tuberkulosekranke inmitten eines Waldes, der etwas südlich der Stadt gelegen ist. Als stramme Vertreter des Neuen Bauens in den Niederlanden setzen sie statt auf Monumentalität auf Funktionalität und Transparenz, wobei der Krankenhausbau die Durchsetzung dieser Forderungen begünstigt haben mag.

In Anbetracht der Tatsache, dass Tuberkulose um 1930 lediglich mit Ruhetherapien an der frischen Luft und viel Licht behandelt werden konnte, entwarfen Duiker und Bijovet mehrere Patiententrakte, die strahlenförmig um das Hauptgebäude angeordnet wurden und so eine möglichst grosse Lichtausbeute garantierten. Die Bauten selber wurden in Stahlbetonskelettbauweise ausgeführt, wie sie früher schon bei Industriebauten zum Einsatz gekommen war. Dank den schlanken ins Gebäudeinnere verlegten Stützen wurden grosse Fensterflächen möglich, die auch dann noch Licht und Luft beförderten, wenn die Patienten aufgrund des „holländischen Wetters“ nicht nach draussen konnten.

An kaum einem andern Gebäude jener Zeit scheint die Durchfensterung so weit getrieben wie beim Sanatorium Zonnestraal. Die durchwegs in hellem Blau ausgeführten Fensterrahmen und -sprossen ergeben in ihrer Kombination eine komplizierte Struktur, die wohl nicht zufällig an die Bildkompositionen russischer Konstruktivsten erinnern. Selbst der in das Hauptgebäude integrierte Heizraum verfügt über grosse Fenster, die den Blick auf die Heizkessel und Rohre freigeben. Über allen Gebäuden thront der silberne Schornstein, der die Vorstellung der Architektur als Maschine zusätzlich unterstreicht.

Nachdem durch Antibiotika ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Tuberkulose gefunden worden war, wurden viele Sanatorien ihrem ursprünglichen Zweck enthoben. Für das Sanatorium Zonnenstraal hatte das besonders gravierende Folgen, da es über viele Jahre hinweg leer stand und dem Zerfall preisgegeben wurde, der durch die filigrane Bauweise (und die Vorstellung Duikers/Bijvoets, dass ein Gebäude nicht länger als fünfzig Jahre stehen bleiben müsse) noch begünstigt wurde.
Nach jahrelangen Restaurationsarbeiten präsentiert sich das Sanatorium heute äusserlich weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand. Das Hauptgebäude und zwei Nebentrakte sind wieder in Betrieb und beherbergen eine Klinik für verschiedene psychische Erkrankungen, während bei zwei weiteren Nebengebäuden die Restaurationsarbeiten im Innern noch anstehen.