31.07.2014Designbutik in den Niederlanden 5: Amsterdam’s Plan Zuid und Nieuwe West
Im Verlauf der ersten beiden Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts wurde Amsterdam südlich und westlich stark erweitert. Der Architekt und Urbanist Henrik Petrus Berlage entwarf für die südliche Erweiterung zwischen den Flüssen Amstel und Schinkel den sogenannten Plan Zuid, der von verschiedenen Plätzen ausgehend grosse Boulevards vorsah, die das Gebiet erschliessen sollten. Um 1920 wurde mit der Bebauung begonnen – neben öffentlichen Bauten wie Kirchen, Schulen, Ausstellungshallen und anderem mehr sollten Wohngebäude für alle verschiedenen sozialen Schichten erstellt werden.
Wurde ein Grossteil der Gebäude noch im Stil der Amsterdamer Schule – einer eigenen, dem geometrischen Jugendstil zuzuordnenden Richtung – erstellt, kamen um 1930 auch vereinzelt Vertreter des Neuen Bauens zum Zug wie etwa Johannes Duiker mit seiner Freiluftschule oder Mart Stam mit seinen sogenannten Drive-In Reihenhäusern, bei denen die Garagen direkt in die Häuser selber verlegt worden waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Baulücken, die durch nicht realisierte Projekte übrig geblieben waren, mit vorwiegend öffentlichen Bauten geschlossen.
Zu diesen letzteren gehört auch die zentral gelegene St. Thomaskirche, die 1966 fertiggestellt wurde und mit deren Planung der Architekt K.L. Sijmons in den fünfziger Jahren begonnen hatte. Für die in der Liturgie zentralen Themen Verkündigung des Wort Gottes, Abendmahl und Taufe schuf er im Kirchenraum eigene Bereiche, die separat genutzt werden konnten, wobei sowohl der tiefer gelegene und stärker abgegrenzte Taufraum als auch der von einem riesigen quadratischen Tisch geprägte Raum des Abendmahls dem Hauptraum so angegliedert wurden, dass das von der Kanzel verkündete Wort Gottes überall gehört werden konnte und damit die Idee des in die Welt hinausgetragenen Wort Gottes auch räumlich seine Versinnbildlichung fand.
Sijmons hat zudem weitere biblische Themen seiner Architektur einverleibt: So ist etwa der Boden des Kirchenraums aus Sandstein und spielt auf die Wüste als Schauplatz der biblischen Ereignisse an. Die Täferdecke liegt als gewelltes Dach auf der Seitenmauer des Hauptaltars und erinnert an die Episode, in der Moses und die Israeliten das Meer mithilfe Gottes durchquerten.
Die Apollohall – eine Sport- und Eventhalle mit Nebengebäuden von A. Boeken und W. Zweedijk 1935.
Montessori-Schulhaus von Mart Stam 1935.
Drive-In Reiheneinfamilienhäuser von Mart Stam, der hier selbst eine Zeit lang wohnte, gebaut 1937.
„Zweite Citroëngarage“ gegenüber des Olympiastadions, Entwurf von Jan Wils 1962.
Wohn- und Arbeitsgebäude des St. Nicolaaskosters von L. Peters 1962.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde unter anderem die Stadterweiterung im Westen Amsterdams begonnen. Cornelis van Eesteren, der früher der De Stijl-Gruppe angehört hatte, zeichnete für diese Erweiterungen als jahrelanger Stadtplaner Amsterdams verantwortlich. Anders als noch Berlage, sah er statt Blockrandbebauung Zeilenbauten vor, die den Forderungen des Neuen Bauens nach mehr Licht und Luft besser Rechnung trugen.
Die ab den fünfziger Jahren realisierte Architektur erfreute sich anfänglich grosser Beliebtheit bei der Bevölkerung Amsterdams, die die beengten und unkomfortablen Altstadtwohnungen gerne tauschten. Später entwickelte sich der Nieuwe West wie so viele Randzonen grosser Städte nach und nach zum Problemstadteil mit hoher Arbeitslosenquote und Kriminalitätsrate. Erfreulicherweise erhält man heute trotz offensichtlich nach wie vor bestehenden Schwierigkeiten das Gefühl, dass der Talboden bereits durchschritten ist – zumindest wird das durch die Tatsache angedeutet, dass einige der teilweise hervorragenden Bauten aus den fünfziger Jahren bereits sorgfältig renoviert wurden und dem ursprünglich verantwortlichen Planer Van Eesteren ein kleines Museum mit Musterwohnung gewidmet wurde.
Opstandingskerk (1955-56) – im Volksmund „Kohlenschütte“ von Marius Duintjer.
Esszimmer der Musterwohnung, die an das Van Eesteren Museum angegliedert ist.
Pinocchio-Lampe von JJM Hoolgervorst.
Die grosse und die kleine „Verfdoos“ (Farbkasten) – Entwurf von Allert Warners ab 1954.